Freitag, 29. August 2014

REVIEW: LORDS OF THE LEFT-HAND PATH (Stephen E. Flowers, Edition Roter Drache)




Kaum ein Themengebiet wird so häufig missverstanden, fehlinterpretiert, zu Unrecht verdammt und/oder verherrlicht, inszeniert und in gewissem Maße propagiert wie der linkshändige Pfad. Wer schon einmal versucht hat, sich auf neutrale und objektive Art einen Überblick über diesen Bereich zu verschaffen, wird sicherlich wissen, woher diese Missverständnisse stammen. Der unbewanderte Leser wird zunächst auf eine Vielzahl von tendenziösen, unsachlichen und gegebenenfalls schlichtweg falschen Informationen stoßen, welche ein unvollkommenes Bild einer vielfältigen ideologischen Strömung vermitteln. Gerade aufgrund des Facettenreichtums und der verschiedenen Auslebungen des linkshändigen Pfades, liegt es in der Natur der Sache, dass prominentere Namen wie LaVey oder Crowley gerne als „alleinige Vorherrschaft“ wahrgenommen und andere, gleichwertige Interpretationen ignoriert werden. Sicherlich ist es nicht schwer, sich selektiv über gewisse Personen und Strömungen zu informieren, doch sachliche Übersichten über das gesamte Spektrum sind um einiges rarer gesät.



Mit seinem Buch „Lords of the Left-Hand Path“ schließt Stephen E. Flowers diese Marktlücke, wenn man es denn so nennen möchte. Dieser hat nicht nur einen Doktortitel in germanischer und keltischer Philologie, sondern ist auch Leiter des „Temple of Set“, einer okkulten Vereinigung in den USA. Laut Eigenaussage ist das Buch das Ergebnis einer jahrelangen Studie und soll als neutrales und sachliches Kompendium dienen.


Hierbei verfolgt Flowers einen logischen und leicht nachzuvollziehenden Aufbau. Er erläutert zunächst seine eigenen Motive, liefert dann grundlegende Definitionen zum linkshändigen Pfad, bzw. erläutert den Unterschied zwischen linkshändiger und rechtshändiger Philosophie, um dann mehr oder weniger chronologisch vorzugehen. Hierbei erweist sich das Kapitel über die östlichen Traditionen als eines der interessantesten Abschnitte des Buches, da es nicht nur Bräuche, Ansichten und religiöse Vorstellungen beschreibt, welche dem (westlichen) Leser wohl um einiges unvertrauter sind, als zum Beispiel die Lehren der weiter oben genannten Namen, sondern auch direkt die Vielschichtigkeit der Thematik beweisen. Besonders die Kapitel über Hinduismus, Buddhismus und Tantrismus sind sehr gehaltvoll und interessant. „Lords of the Left-Hand Path“ beschreibt die mitunter komplexen Konzepte auf leicht verständliche Weise und schafft hierbei den Spagat zwischen Verständlichkeit und dem nötigen Anspruch, sodass keine Vorkenntnisse nötig sind, um den Ausführungen folgen zu können, die Materie aber dennoch auf einem angebrachten Niveau behandelt wird. Zusätzlich gibt es eine Vielzahl von Abbildungen und Diagrammen, welche sich auch als ungemein nützlich erweisen.



Im weiteren Verlauf nimmt sich Flowers unter anderem der Gnosis, dem Seth Kult und der jesidischen Teufelsanbetung an und stellt Bezug zu Religionen wie dem Christentum oder dem Islam her. Besonders faszinierend sind die Abhandlungen über verschiedene totalitäre Regime und die Art, in der sich zuvor etablierte und definierte Konzepte wie Magie und Rituale in ihnen (nicht) widerspiegeln. Im Vordergrund steht stets das Streben nach Macht und Individualismus bzw. die Selbstvergöttlichung, jedoch blendet „Lords of the Left-Hand Path“ auch spiritualistische oder okkulte Denkansätze keineswegs aus. Auch beschreibt Flowers in dem Kapitel „Der entfesselte Luzifer“ auf gekonnte Weise die Figur des Teufels, wie sie in der, z.B. romantischen, Literatur Verwendung findet, wobei solche Namen wie Goethe oder Marquis de Sade zur Sprache kommen.



Für viele dürfte das letzte Drittel von „Lords of the Left-Hand Path“ das interessanteste und ausschlaggebendste sein. In diesem geht Flowers auf die moderneren (und beliebteren?) Vertreter der linkshändigen Philosophie ein. Angefangen bei Blavatsky arbeitet er sich weiter zu Crowley, dessen Denkweise in einem sehr ausführlichen Kapitel erläutert wird, um dann das Buch mit einem Kapitel über LaVey und die Church of Satan und einem über den Temple of Set abzuschließen. Hier zeigt sich die neutrale und differenzierte Herangehensweise des Autors besonders, denn gerade das Kapitel über den (zurecht) umstrittenen Anton Szandor LaVey und seine Philosophie entpuppt sich als eine der neutralsten Abhandlungen über ihn. Lobenswert ist vor allem, dass der Plagiarismus, den LaVey betrieb, nicht unerwähnt bleibt. Ebenso geht der Autor (vor allem im abschließenden Anhang) durchgehend auf die falschen Anschuldigungen ein, welche den linkshändigen Pfad betreffen und durchaus als erschreckendes Beispiel für die Leichtgläubigkeit mancher Menschen verstanden werden können.

Fazit: Es gibt niemanden, dem man von der Lektüre von Stephen E. Flowers „Lords of the Left-Hand Path“ abraten könnte. Der Autor geht sachlich und wissenschaftlich vor, sämtliche Teilgebiete werden vorgestellt und beleuchtet und das Buch liest sich zudem äußerst kurzweilig. Ein wirklich gelungenes, rundes und vor allem wichtiges Werk!

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